Ein Besuch im Laufsportladen

Für den passionierten Läufer scheint der Besuch eines Laufsportladens alles andere als etwas Besonderes zu sein. Mich betreffend ist das jedoch etwas anderes. Ich kaufe meine Laufschuhe schon lange überwiegend online.

Ich weiß erstens mittlerweile genau, was ich will, und zweitens ist das, was ich will, im Laufsportladen um die Ecke eher selten zu finden. Fachgeschäfte können mir also kaum noch einen Zusatznutzen bieten. Gestern jedoch ging es in Sachen Laufschuhe mal nicht um mich, sondern um meine liebe Frau.

 

Wenn man sich so intensiv mit dem Laufen auseinandersetzt, wie ich es zeitweise getan habe, dann ist der Laufschuhkauf im Fachhandel oftmals eine schwierige Sache.

Bisherige Erfahrungen

Ich komme meist schon mit recht klaren Vorstellungen im Laden der Hoffnung an. Diese basieren auf einer umfangreichen Beschäftigung mit dem Thema, Vorerfahrungen und auch auf meiner in diesem Bereich ausgeprägten Experimentierfreude. Fachverkäufer hassen das wohl und ich kann sie verstehen.

Zusätzlich habe ich gerade im Bereich der Minimal- und Trail-Laufschuhe die Erfahrung gemacht, dass sich meine Vorstellungen vor Ort meist nicht erfüllen lassen, da entweder die gewünschte Marke nicht im Sortiment ist oder aber nicht in meiner Größe.

Nicht selten stieß ich sogar auf völliges Unverständnis bezüglich meiner Vorstellungen, was ich dem Verkäufer nicht mal immer verdenken konnte.

Als noch schlechter erwies sich gerade im Nachhinein der Fall, dass sich der Verkäufer besonders viel Mühe gab und mir sympathisch war. Dann lief es nämlich auch den Kauf eines Kompromisspaares hinaus.

Nicht selten verwünschte ich diesen Kompromiss spätestens nach dem zweiten Lauf und in der Altkleiderkammer freute sich dann jemand über fast neue Laufschuhe.

Letztlich bestellte ich immer öfter einfach das, was ich schon die ganze Zeit im Kopf hatte und damit fahre ich bis heute gut. Es ist für mich nach vielen Testläufen einfach der erfolgreichste und komfortabelste Weg zum passenden Schuh geblieben.

Neue Ausgangslage

Diesmal lag die Sache aber ganz anders. Zum einen sehr erfreulich und zum anderen aber auch heikel.

Meine Frau will nach vielen Jahren Laufpause – also so richtig viel gelaufen ist sie eigentlich nie – wieder mit dem Laufen beginnen. Da will man – sprich: ich – natürlich keinen Fehler machen.

Kürzlich äußerte sie in diesem Zusammenhang den Wunsch ihre mindestens zehn Jahre alten Asics-Laufschuhe mal durch ein aktuelleres Model zu ersetzen und das nicht nur aus optischen Gründen.

Ihr war in den letzten Jahren der Unterschied zwischen meinen äußerst leichten und flexiblen Modellen und ihrem vergleichsweise brettharten und schweren Exemplar keineswegs entgangen.

Da ich mir jedoch sowohl in Bezug auf die Größe als auch die Passform sehr unsicher war, kam der Onlinehandel hier ganz klar nicht in Frage. Außerdem wollte ich mich in dieser heiklen Frage mit eigenen Erfahrungen und guten Ratschlägen ohnehin zurückhalten.

Eine neutrale Beratung würde der geeignetere Weg sein, da war ich mir sicher. Meine Vorlieben und Überzeugungen zu Laufschuhen konnten ihr über die Jahre sowieso nicht entgangen sein.

Körperliche Voraussetzungen

Die körperlichen Voraussetzungen meiner Frau stehen einem erfolgreichen Wiedereinstieg nicht im Wege, was Anfang 40 und nach Geburt eines Kindes keineswegs selbstverständlich ist. Im Gegenteil: ich bin mir ziemlich sicher, wenn sie mal wirklich Feuer fangen sollte, dann laufe ich bald hinterher.

Bei 1,60 Meter Körpergröße bringt sie dank ihrer immer schon gesunden Essgewohnheiten kaum mal 45 kg auf die Waage und auch ihr Bewegungsapparat ist durch Yoga und ausreichend alltägliche Bewegung kaum mal durch eine ernstere Erkrankung aufgefallen.

Positiver Nebeneffekt: weniger als 45 kg Kampfgewicht lassen die Wahl des passenden Laufschuhes gleich ein wenig unbedeutender ausfallen.

Die Suche nach dem geeigneten Laufsportgeschäft

Selbst im Großraum München ist es erstaunlicherweise gar nicht so einfach, den passenden Fachhandel zu finden.

Um ihre schmal gebauten Füße wissend fielen Standardsportgeschäfte nach einem ersten Versuch wider besseren Wissens schon wegen der meist zu geringen Markenauswahl durchs Raster. Die allgemein bekannten Sportgrößen der Innenstadt bieten hingegen erfahrungsgemäß eine eher mäßige Beratung und vor allem zu viel Betrieb.

Leider gibt es die früher wegen ihrer Auswahl und dem langen Rückgaberecht (das ich nie beanspruchen musste) bei mir sehr beliebten Run2 Filialen von RunnersPoint nicht mehr. Und die gewöhnlichen kann man im Vergleich einfach vergessen.

Aus den verbleibenden fiel die Wahl auf ein allein auf das Laufen spezialisiertes Fachgeschäft im Münchner Norden, das mir aus früheren Jahren noch durch eine intensive Laufstilanalyse und Beratung im Gedächtnis geblieben war.

Im Laufsportladen

Da wir beide noch Urlaub hatten machten wir uns bereits vormittags auf den Weg. Das versprach wenig Andrang, was sich bei Ankunft im Laden der Wahl augenscheinlich als richtig erwies.

Schon auf den ersten Blick war eine große Marken-Auswahl, zwei freie Laufbänder mit Videoanalyse-Möglichkeit und jede Menge Zubehör erkennbar.

Das würde hinhauen.

Drill-Instructor oder Verkäufer?

Der Einstieg verlief dann jedoch etwas holprig. Vielleicht war der Kunde vor uns besonders nervig und unsere Verkäuferin dadurch schon etwas aufgekratzt.

Angesprochen auf ihre Wünsche äußerte meine Frau den Wunsch nach einem leichten und flexiblen Schuh, und da sie gerade einen Nike free in der Hand hatte, ergänzte sie noch „sowas in der Art vielleicht“.

Die folgenden fünf Minuten glichen dann wechselnd mal mehr einem Verhör mal mehr einer  Belehrung, so dass ich ernsthaft um ein gutes Ende fürchtete.

Aus dem Gedächtnisprotokoll: „das, was sie da in der Hand haben, ist kein Laufschuh“ (war natürlich richtig), „sie fangen also gerade wieder an und wollen einen Wettkampfschuh?“, „haben sie ihren bisherigen Laufschuh nicht dabei?“ usw.. Sehr frei zusammengefasst: Vergessen Sie Ihre Vorstellungen! Was Sie brauchen, das sag ich Ihnen. Und eigentlich sollte ich sie wieder nach Hause schicken, damit sie den alten Laufschuh aus der Mülltonne holen und ich eine vernünftige Empfehlungsgrundlage bekomme (als würde man aus einem zehn Jahre alten Laufschuh vernünftige Schlüsse ziehen können!).

Wer jetzt vermutet, das hätte an mir gelegen, der irrt, denn ich stand ausnahmsweise nur stillschweigend daneben.

Switch zum fachkundigen Berater

Und trotzdem nahm das Verkaufsgespräch dann noch eine Wendung zum Guten.

Zum einen, weil meine Frau geübt im Umgang mit Menschen ist, die sich allwissend wähnen, und sich zum gegebenen Zeitpunkt zurücknehmen kann. Sie versteht es, ihre eigenen Vorstellungen einfach selbst in die Entscheidung mit einzubeziehen.

Zum anderen, weil die fachlich ohne Zweifel sehr kompetente Verkäuferin nachdem klargestellt war, wer hier Bescheid wusste, Schritt für Schritt zur Beraterin mutierte, mit einem aus Erfahrung wahrscheinlich guten Händchen für den passenden Schuh.

Die Auswahl des passenden Laufschuhs

Nach Videoanalyse – barfuß und mit Schuhen – Feststellung einer leichten Überpronation (leichtes Einknicken im Sprunggelenk), Anprobe verschiedener Modelle, Testläufen mit potentiell hilfreichen Einlagen (die später von uns natürlich verworfen wurden) und nach einem Testlauf auf Asphalt fiel die Wahl auf einen innen ganz leicht gestützten Schuh, der sowohl die Anforderungen meiner Frau nach geringem Gewicht und Flexibilität erfüllte, als auch den der Fachverkäuferin nach etwas Unterstützung.

Es blieb übrigens beim ersten Schuhmodell, das die Verkäuferin sich gegriffen hatte.

Vorläufiges Fazit

Nach einer knappen Stunde verließen wir schon fast glücklich und zufrieden unseren Lausportladen. Wir fühlten uns am Ende eben doch gut beraten und hatten trotz der sehr schmalen Füße meiner Frau sogar noch die Wahl zwischen verschiedenen Schuhen gehabt.

Der gewählte Laufschuh wurde von meiner Frau sinngemäß wie folgt kommentiert: „Ein bisschen blass und unauffällig (siehe Beitragsbild), aber man spürt ihn nicht.“

Ich glaube, sie wird Spaß damit haben.

Für mich selbst bin ich übrigens nicht wirklich in Versuchung geraten. Die Interessen des Fachhandels sind mit den meinigen wohl einfach nicht kompatibel. Zwischen all den bunten, stabilen und gedämpften Schuhen, mit  zum Teil seltsam anmutenden Gimmicks wie der On Cloud-Federung war die Schnittmenge einfach zu klein für mich.

Beim Laufen ist und bleibt für mich weniger einfach mehr.

Exkurs zum Thema Fachgeschäft

Durch den Besuch im beschriebenen Laufsportladen ist mir mal wieder bewusstgeworden, wie schwer es solche Geschäfte heute haben. Der Anspruch des Käufers nach Auswahl und Beratung ist zum Teil schon sehr groß.

Die gängigen Laufzeitschriften empfehlen zwar durchweg die Wahl von Fachgeschäften vor Ort, setzten aber gleichzeitig die Messlatte für diese von vornherein auf ein kaum erfüllbares Niveau.

Videoanalyse, Teststrecken, Zeit für Beratung und dann auch noch ein Rückgaberecht, wenn der Schuh nach den ersten Läufen doch nicht passt. Das ist wirtschaftlich nur sehr schwer anzubieten, schon gar nicht in ländlichen Regionen.Und auf der anderen Seite hat der Kunde heute, wenn er will, volle Preis- und Informationstransparenz.

Wir haben bei unserem Einkauf eine fachlich gut ausgebildete Verkäuferin für mindestens 30 Minuten allein an uns gebunden, ein professionelles Laufband und eine Videoanalyse in Anspruch genommen, und dann 140€ für ein paar Laufschuhe bezahlt.

Ich weiß nicht, wieviel davon beim Ladenbesitzer hängen bleibt, aber reich wird er von unserem Einkauf eher nicht. Würde er uns jetzt noch ein Rückgaberecht einräumen (gibt es im beschriebenen Fall nicht) und wir würden auch das noch nutzen, dann sähe die Rechnung für ihn aber ganz düster aus.

Von den Kunden, die die beschriebenen Leistungen ebenso wie wir in Anspruch nehmen und dann trotzdem woanders online bestellen, von denen möchte ich da gar nicht reden.

6 thoughts on “Ein Besuch im Laufsportladen”

  1. Lieber Sebastian, ein sehr schöner Beitrag, die komplette Situation kommt mir sehr bekannt vor, nur dass wir seinerzeit mit einem völlig gurkigen Schuh rausgegangen sind, der am nächsten Tag ungebraucht zurückgebracht wurde. Die Qualität der Beratung hängt vom Können des Verkäufers aber auch von seiner Tagesform ab. Und wenn das dann mal nicht gepasst hat, dann war es das für den Laden. Wer heute als Händler einfach nur den breiten Markt abdecken möchte und 0815 Beratung macht, dem läuft die Zeit weg oder der hat eine starke Mutterfirma im Hintergrund auf die er sich fatalerweise verlässt.
    Dass Läufer wie du und ich keine lukrative Zielgruppe sind, tja, blöd, aber ist halt so. Die kleinen erfolgreichen Spezialisten gibts ja trotzdem, nur leider lokal schlecht verteilt (aber dafür oft zusätzlich mit gutem Onlineshop), die nutze ich dann eben. Letztlich geht es heutzutage eben um erfolgreiche Kundenbindung.
    Und da die Kollegen auch nicht arg überteuert sind, denke ich mal (mit meiner eigenen Großhandelserfahrung im Hinterkopf) dass die Erträge schon ganz gut passen. Einzelhandel ist heute zudem etwas komplexer als VK-EK=Ertrag, da gibts diverse Möglichkeiten Zusatzerträge reinzuholen und die werden ausgiebig genutzt.
    Aus purer Neugier: Was sind es denn jetzt für Schuhe geworden? Ich kanns auf dem Bild nicht recht erkennen.
    Liebe Grüße, Oliver

  2. Lieber Oliver,

    bei uns hatte das wahrscheinlich schon ein besseres Ende, aber das wissen wir natürlich erst nach ein paar Läufen. Der gestrige Jungfernlauf verlief soweit problemlos.

    Das Modell ist ein Adizero Tempo 9. Die Bauform mit der durchgehenden Sohle im Mittelfussbereich gefällt mir recht gut, damit habe ich selbst gute Erfahrungen gemacht.

    Das wichtigste war mir aber der Satz, “den spür ich kaum am Fuss.” Das ist für mich mit das wichtigste Kriterium bei der Anprobe.

    Dass man sich um den gut aufgestellten Fachhandel keine echten Sorgen machen muss, das nehme ich dir gern und dankbar ab. Der von uns gewählte Laden betreibt übrigens auch einen Online-Shop on top.

    Beste Grüße
    Sebastian

  3. Hallo schön von dir zu lesen.Freut mich dass deine Frau ein paar Laufschuhe gefunden hat ich hoffe sie hat Spaß damit und kann dich Herausforderung .Bin gespannt wann sie die Ziele für nächstes Jahr bekannt gibt.Auf ein schönes Training mit deinem Partner.Gruss Günter

  4. Lieber Günter,

    schön, auch von Dir zu hören! Ihr sportlicher Ehrgeiz hält sich zum Glück in Grenzen, aber sie war jetzt schon mehrfach mit dem Schuh unterwegs und es schaut gut aus – sprich: läuft gut 🙂

    Mein sechsjähriger Junior ist auch schon auf den Geschmack gekommen und ich frage mich, wie lange es noch dauert, dass ich hinterher laufe, dem einen oder der anderen 😉

    Kann mir aber schlimmeres vorstellen!

    Beste Grüße
    Sebastian

  5. Lieber Sebastian,

    vermutlich wird selten eine so lange Zeit zwischen einem Betrag und einem Kommentar daruf verstrichen sein wie bei diesem. Liegt einfach darsn, dass ich die letzten Monate beruflich sehr “unter Wasser” war und keine Blogs mehr gelesen geschweige denn in meinem eigenen etwas geschrieben habe. Ich hoffe, die Zeit ist jetzt vorbei und es geht wieder aufwärts.

    Für heute wäre ich nur neugierig, ob die Schuhe deiner Frau in der Zwischenzeit ihre (und deine) Erwartungen erfüllt haben, was ja die kompetente Beratung bestätigen würde.

    Bis demnächst mal wieder!

    Liebe Grüße
    Wolfgang

    1. Lieber Wolfgang,

      sehr schön von Dir zu lesen.

      Der Laufschuh hat die Bewährungszeit klar hinter sich und meine Frau fühlt sich wohl damit. Das beste Zeichen dafür ist wohl, dass sie im September damit zu laufen begonnen und seither nicht mehr aufgehört hat (mit den regelmäßigen kurzen Läufen).

      Sie spürt, wie gut es dem ganzen Körper gut und ich habe nicht die geringste Sorge, dass sie das wieder vergisst. Und wenn der Sohn gut untergebracht ist, dann laufen wir gelegentlich auch zusammen. Nicht mehr lange und wir können zu dritt losziehen. Mit seinen 6 Jahren ist es derzeit nach 2 Kilometern noch genug 🙂

      Bezüglich Blogs lesen und selber schreiben geht es mir wie Dir, nur dass es weniger an der momentanen beruflichen Beanspruchung liegt als vielmehr daran, den langsamen Ausstieg aus der ewigen Tretmühle von „immer mehr und noch mehr“ vorzubereiten. Das wird mich noch eine ganze Weile beschäftigen, aber ich bin auf dem Weg und setze wie gewohnt einfach einen Fuss vor den anderen bis das Ziel erreicht ist.

      Beste Grüße
      Sebastian

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