Angst beim nächtlichen Waldlauf?

Ein Lichtkegel in finsterer Nacht

Meine Welt beschränkt sich auf die zehn Meter Waldweg vor mir. Außen herum das dunkle Nichts, dazwischen ein ganz schmaler Streifen Halbdunkel, in dem sich Baumstamm an Baumstamm reiht.

Unter meinen Füßen knirscht kaum hörbar der natürliche Untergrund aus Stein, Erde und Laub. Das dominierende Geräusch ist, trotz lockerem Lauftempo, meine Atmung. Weit entfernt von schwer – nein, einfach meine gewohnte Nasenatmung – nur ein wenig schneller als sonst.

“Anders ist, dass die Atmung in dieser stillen Dunkelheit zum dominierenden Geräusch wird.”

Um mich herum – dunkle Stille.

…bis auf ein gelegentliches Knacken im Wald rechts und links neben mir.

Ich laufe in meinem Trainingsrevier, der Wald hier ist mir so gut vertraut. Und trotzdem ist etwas anders.

Etwas Unbehagliches sitzt mir im Nacken

Ich bin nicht entspannt. Mein Puls ist schneller als er sein soll. Dafür muss ich die Pulsuhr gar nicht bemühen. Mensch, warum bin ich nur so angespannt?

Ich gestehe, dass ich mich ein wenig unwohl fühle, jetzt und hier im Wald. Und je mehr ich mir das eingestehe, desto unheimlicher wirds.

Es ist die Dunkelheit außerhalb meines schmalen Lichtkegels.
Es ist das Wissen um die Einsamkeit hier im Wald.
Es ist die Unsichtbarkeit der Dinge, die mich umgeben.

Ein kalter Schauer umgibt mich jetzt.

Ich muss den Kopf schütteln. Rufe mir unzählige Nächte unter freiem Himmel ins Gedächtnis, lange Nachtwanderung und Durchschlageübungen vor viel zu langer Zeit.

“Es hilft nicht wirklich, etwas ist anders. Ich bewege mich im Laufschritt.”

Und das entrückt mich von meiner Umgebung. Am Tag merke ich das nicht, bilde mir sogar ein, besonders achtsam und aufmerksam zu laufen. Aber jetzt in der Nacht ist es offensichtlich.

“Die Sinne sind beim Laufen eingeschränkt.”

Also ein Stück gehen.

Viel besser. Ich kann meinen Lichtkegel schweifen lassen. Auch links und rechts des Weges für kurzzeitige Helligkeit sorgen. Ich kann Geräusche wieder klar orten. Ich werde ruhiger.

Ich schalte die Stirnlampe aus. Nach kurzer Gewöhnung finde ich mich trotz Dunkelheit gut zurecht. So ist es noch besser.

“Ich bin jetzt wieder ein Teil des Waldes und nicht durch meinen Lichtkegel isoliert.”

Nur Laufen kann ich so nicht. Nicht bei diesem Untergrund.

Ich bin schon ganze Nächte durchgelaufen ohne mich unwohl zu fühlen – 50km bei der Ulmer Laufnacht zum Beispiel. Auch da waren ab km 20 nicht immer Mitläufer um mich herum. Unwohl habe ich mich da nie gefühlt. Es war aber eine Veranstaltung, bei der ich zumindest hin und wieder mit Gesellschaft rechnen konnte, und sie verlief natürlich auch nicht dauerhaft durch einen tiefen Wald.

Ich werde die Frage mit dem Unwohlsein, Angst wäre hier ein zu großes Wort, heute nicht lösen. Ängste sind meist irrational und das ist natürlich auch nachts im Wald der Fall. Ängste sind außerdem individuell. So mancher wird das hier lesen und nicht nachvollziehen können, was ich hier schreibe.

Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es nicht nur mir beim nächtlichen Lauf im Wald etwas unheimlich ist.

Call me Chicken – Und jetzt?

Ich versuche mich natürlich weiterhin sporadisch im nächtlichen Waldlauf, denn der Kopf gibt so einfach nicht auf. Bisher bin ich aber noch nicht soweit, dass es mir richtig Spaß macht.

Sobald ich wieder aus dem Wald raus bin, habe ich überhaupt kein Problem mehr mit der Dunkelheit. Über Felder und Wiesen laufe ich sogar gerne und regelmäßig in der Nacht. Auch kurze Waldabschnitte stören mich dabei nicht wirklich.

Aber mein angestammtes Laufrevier ist der Ebersberger Forst, ein siedlungsfreier Wald mit einer Ausdehnung von gut 10 mal 10 Kilometern. Ein Traum für einen Läufer – nur eben nachts (noch) nicht.

…und ein paar wildschweine gibts hier natürlich auch.

Zwischenfazit: der Nachtlauf kann unheimlich werden, wenn folgendes zusammen kommt:

  • lang anhaltendes Waldstück,
  • offensichtliche Einsamkeit,
  • ein beschränktes Sichtfeld durch die Stirnlampe,
  • und natürlich die Fokussierung durch das Laufen.

Es sieht und hört sich einfach anders beim Laufen in der Nacht.

Alternativen zum nächtlichen Waldlauf

Der Gewöhnung, die sicher hilfreich wäre, stehen auch die zahlreichen Alternativen im Wege. Zum Beispiel Radwege entlang aller Ausfallstraßen und unzählige Feldwege über freies Gelände. Erstere sind zwar asphaltiert, was ich sonst nicht besonders mag, aber ist das nachts nicht sowieso besser?

Und dann ist da auch noch mein Laufband – ja, auch sowas habe ich. Und jetzt beginnt die Jahreszeit, in der es mit Laufband einfach oft viel einfacher ist.

Das Laufband

Das Laufband war nicht meine Idee. Ich bin bekennender Outdoor-Sportler und das „Draußen“ ist ja ein gewichtiger Teil meiner Laufleidenschaft. Nie hätte ich – naja usw….

Und trotzdem hat sich das Laufband mittlerweile in meinen winterlichen Alltag geschlichen.

Meine Frau hatte die Idee, ein Laufband zu kaufen, ehrlich! Bot es doch die Gelegenheit auch dann ein bisschen zu trainieren, wenn man mit einem kleinen Kind allein zu Hause ist. Selbst wenn es schläft, kann man das Haus ja nicht einfach verlassen um eine Runde Laufen zu gehen. Und da hat es sich in der Tat bewährt.

Mit dem I-Pad über der Armatur und vorab entsprechend getroffener Filmauswahl (bevorzugt Lauffilmchen und Dokumentationen) macht es sogar regelmäßig Spaß. Der Lauf ist dann natürlich kein Naturerlebnis mehr, sondern eher Bewegung beim Fernsehschauen. Aber es klappt auch nach einem harten Arbeitstag am späten Abend noch gut. Die Aufbruch-Schwelle ist einfach geringer.

Es hat mich sogar schon der Flow heimgesucht. Denn das Laufband ermöglicht auch eine extreme Fokussierung auf Bewegung und Atmung, wenn man es darauf anlegt. Und sich einmal nicht wie gewöhnlich durch Film oder Musik ablenken lässt.

Trotzdem sträubt sich in mir noch so manches gegen das Indoor-Training.

“Das Laufen auf dem Band ist eben doch eher Suchtbefriedigung oder Pflichterfüllung statt Laufgenuss.”

Draußen käme ich auch nie auf die Idee, mich durch Musik ablenken zu lassen. Im Gegenteil, da kann ich Läufer mit Kopfhörer nur schwer verstehen.

Fazit:

Ich werde weiter am nächtlichen Waldlauf arbeiten, indem ich ihn gelegentlich einstreue. Bis dahin laufe ich einfach weiter auf Rad- und Feldwegen unter freiem Nachthimmel. Meist mit Stirnlampe und bei Mond auch mal ohne.

Im Winterhalbjahr unter der Woche zweimal aufs Laufband soll auch zukünftig das obere Limit bleiben. Und am Wochenende gehe ich dann sowieso lieber bei Tageslicht laufen. Licht kann so wohltuend sein.

Interessant für mich wäre, wie es Dir beim nächtlichen Waldlauf so geht…

10 thoughts on “Angst beim nächtlichen Waldlauf?”

  1. Genau so isses … Genauso laufen die kleinen Kälten den Rücken runter wenn der Wald anders knackst wie man meint … und das Laufband ist für mich keine Alternative 🙂

    Ich finde es spannend, wie unser aufgeklärtes Gehirn reagiert, wenn nicht mehr alles sofort sichtbar und erklärbar ist.

    Irgendwie reinigen diese nächtlichen Läufe ganz gut vom Stolz unseres Fortschritts. Es bringt, mich zumindest, immer wieder ins echte Leben zurück.

    Viele Grüße,
    Hans

    1. Hallo Hans,

      Freut mich schon irgendwie, dass Du die “kleinen Kälten”, wie Du es nennst, auch kennst. Wie sag ich zu meinem Kleinen immer, “mutig kann nur sein, wer Auch Angst hat” 😉

      Noch besser natürlich, dass Du das als zusätzlichen Reiz empfindest. Ja, auch das suchen wir beim Laufen: das echte Leben spüren.

      Vielleicht queren wir den nächtlichen Forst bei Gelegenheit mal gemeinsam. Du hast es ja auch nicht weit.

      Beste Grüße
      Sebastian

  2. Lieber Sebastian,

    zunächst ein Kompliment für deinen Läufer, den du auch für das Laufen in der Nacht gut in Szene gesetzt hast. Friert der Arme nicht in der Nacht und bei diesen Temperaturen ❓

    Angst vorm Nachtlauf ?
    Ein lautes JA
    würde niemals freiwillig alleine in der Nacht im Wald laufen
    aber
    jetzt kommt das ABER

    in Gesellschaft
    bei Nachtläufen
    von mir aus die ganze Nacht
    ich liebe Sonnenaufgänge
    sehr, sehr gerne

    Seitdem hier in der Nachbarschaft eine junge Frau Opfer eines Sexualtäters wurde, laufe ich auch tagsüber nicht mehr alleine in den tiefen, einsamen Wald, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Glücklicherweise muss ich auch nicht alleine, weil ich bei Bedarf und auf Wunsch einen starken Mann an meiner Seite weiß.

    Aber – wie gesagt – nachts bei einem offiziellen Lauf sehr gerne, selbst in Biel war es ein echtes Erlebnis, wäre das Wetter nicht zu grausig gewesen.

    Laufband geht gar nicht, wobei ich deine Ausnahmesituationen verstehen kann, vielleicht doch besser als gar nichts, aber trotzdem ätzend, wie ich meine ! Es geht nichts über einen Lauf mit allen Sinnen in der Natur – YES !!

    Stürmische Grüße von der Ostsee ! 😎

    1. Hallo Margitta,

      nett, dass Du dir Sorgen machst um mein Läuferlein 😉

      Ich kann Dich aber beruhigen, kann er doch alles, was ich nicht kann und frieren gehört eben auch nicht zu seinem Repertoire. Super, Super… Marathoni

      Vielleicht nehme ich ihn beim nächsten nächtlichen Waldlauf einfach mit – dann dürfte ich auf der sicheren Seite sein.

      Aber jetzt zu ernsterem: ja, dass Du als Frau nachts nicht alleine durch den Wald rennst ist für mich nicht nur verständlich, sondern leider auch vernünftig. Da haben wir Männer es klar besser, müssen wir uns doch nur über Gesindel tierischen Ursprungs Sorgen machen – und die auch noch überwiegend unbegründet.

      Eure vereinte Laufbandabneigung verstehe ich voll und ganz – ist derzeit eben mein blinder Fleck 😉

      Beste Grüße
      Sebastian

  3. Lieber Sebastian,

    ich muss gestehen, dass ich mich nur an ganz wenige Situationen erinnern kann, dass ich bei einem Nachtlauf ein ungutes Gefühl hatte. Gerade die Einsamkeit beruhigt mich und umso weniger Geräusche der Zivilisation umso besser fühle ich mich. Viel mehr Angst machen mir viele Menschen oder belebte Plätze oder Straßen, egal ob tagsüber oder in der Nacht.
    So hat wohl jeder seine Dämonen, umbegründbare Ängste. Ich wünsche Dir weniger Furcht und mehr Gelassenheit, ich weiß aber auch, dass es nicht so einfach ist….

    Salut

    1. Hallo Christian,

      Ich war mir sicher, dass der nächtliche Waldlauf für manchen völlig unproblematisch ist, gibt ja auch keinen berechtigten Grund für Ängste – zumindest in unseren Breiten. Schön, dass Du ihn genießen kannst.

      Und Menschenmengen finde ich zwar nicht beängstigend, aber ich meide sie dennoch, ich mag sie nämlich einfach nicht. Und da sehe ich auch keinen Handlungsbedarf 😉

      Beste Grüße
      Sebastian

  4. Hallo Sebastian,

    ich lese deinen Blog ein paar Wochen und bin erst heute diesen Beitrag getroffen. Nachdem ich den Titel gesehen habe, habe ich mir auch sofort gedacht: oho, etwas für mich.

    Als ich normalerweise kein Problem mit Laufen im Wald habe, denn doch wenn es noch ganz früh ist oder – noch schlechter -wenn der Tag zu Ende ist und all die Waldwege nur sparsam beleuchtet sind. Ich mag das Gefühl einfach nicht, allein im Wald zu sein. Das ist mir zu viel, insbesondere wenn dort noch irgendein Geräusch zu hören ist, obwohl ich weiß, dass es nur ein Vogel sein kann 😉

    1. Hallo Mateusz,

      jetzt kommt sie ja bald wieder, die Zeit der Nachtläufe. Wenn ich die Läufe in der Dunkelheit auch nicht gerade liebe, so schätze ich doch die Abwechslung, die uns hierzulande die Jahreszeiten bieten. Mit ihnen ändert sich immer auch das Laufen ein wenig, und das ganz ohne unser Zutun. Ich mag den Herbst und freue mich darauf.

      Schön, dass Du hierher gefunden hast!

      Beste Grüße
      Sebastian

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.